So, 12. Mai 2024
Close

„Luxemburg Leaks“ erreicht Schwerin

(sr). PricewaterhouseCoopers lebt davon, Konzernen zu verraten, was an Steuervermeidung alles so möglich ist. Luxemburg-Leaks bringt die Prüfgesellschaft  nun in Verlegenheit. Auch Schwerin erreicht dieser Skandal jetzt.    Steuerberatungsunternehmen leben von

  • Veröffentlicht November 7, 2014

Streng geheim

(sr). PricewaterhouseCoopers lebt davon, Konzernen zu verraten, was an Steuervermeidung alles so möglich ist. Luxemburg-Leaks bringt die Prüfgesellschaft  nun in Verlegenheit. Auch Schwerin erreicht dieser Skandal jetzt. 

 

Steuerberatungsunternehmen leben von der Verschwiegenheit, ja von der Vertraulichkeit mit ihren Kunden. Stellt ein Beratungsunternehmen einem potentiellen Kunden ein Steuersparmodell vor, dann wird sehr viel Wert darauf gelegt, dass nichts an die Öffentlichkeit gelangen kann. Unterlagen, USB-Sticks oder Aufzeichnungen – nichts darf nach dem Gespräch zurückbleiben. Daher ist das was passiert ist, ein Supergau für die Branche, aber auch bis in die Politik hinein. Hunderte Dokumente die die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) vertraulich für Kunden angefertigt hat, ist in die Hand von mehr als 80 Journalisten weltweit gelangt. Es kam aber noch schlimmer: Die 548 Steuerdeals sind auch im Internet öffentlich zugänglich und werfen einen zwielichtigen Blick auf das Beratungsunternehmen. Die Deals, die Steuertricks und vor allem die vertraulichen Geschäftsbeschreibungen der Kunden können von jedermann öffentlich eingesehen werden. Für eine Branche, die vor allem von der Vertraulichkeit und Diskretion lebt, ist das so ziemlich das Schlimmste, was man sich denken kann. Dabei ist vieles, was nun nachzulesen ist, gar nicht so neu.

 

An Steuervermeidungsmodellen verdient es sich gut

 

Die Steuerminimierung für multinationale Konzerne ist für Unternehmen wie PwC, Deloitte, Ernst&Young und KPMG, den sogenannten »Big Four« der Wirtschaftsprüfungsunternehmen, ein erfolgreiches Geschäftsmodell. Im Jahr 2013 hat PwC einen Umsatz von 34 Milliarden US-Dollar gemacht, 8,8 Milliarden davon stammen aus dem Geschäftsfeld Steuerberatung.

 

Inzwischen formiert sich Widerstand gegen die Steuertrickser aus dem Hause PwC und den anderen »Big Four«. Prem Sikka, Professor für Wirtschaftsprüfung an der Universität von Essex in London, gehört zu den wortgewaltigsten Kritikern der »Nadestreifenmafia«, wie er sie nennt. Ihre Vorgehensweise führe dazu »dass normale Menschen höhere Steuern zahlen müssen, weil ihre Steuervermeidungsschemata große Konzerne und reiche Menschen entlasten«, sagt er jüngst gegenüber der Süddeutschen Zeitung (SZ). Er fordert daher, dass die Macht der großen Prüfungsgesellschaften eingeschränkt werden müsse. Die Prüfer sind für Sikka eine Gefahr für die Gesellschaft, weil sie »ihre Macht nutzen, um die Demokratie, das Recht und das Wohlergehen der Menschen zu untergraben«.

 

Ein ähnliche Argumentation fährt jemand, der es wissen muss, da er sich jahrelang ein Duell mit den Beratern lieferte, der ehemalige deutsche Steuerfander Frank Wehrheim. Der Oberamtsrat (OAR) a.D. war viele Jahre Sachgebietsleiter bei der Steuerfahndung in Erfurt und Frankfurt am Main. Seit Mai 2009 ist er Steuerberater in Bad Homburg und kritisiert, dass es im Kampf Staat gegen Konzerne seit langem keine »Waffengleichheit« mehr gebe. »Wenn wir vier Leute zum Prüfen in eine Großbank schicken, stecken auf der Gegenseite vielleicht 300 oder 400 externe Berater.«

 

Der Staat zieht also meistens den Kürzeren und deutsche und ausländische Konzerne vermeiden dank der Hilfe aus dem Hause PwC und Co. Milliarden an Steuern. Steuergeld, dass am Ende dem Gemeinwesen fehlt. Geschickt wird durch PwC jede Lücke in der internationalen Steuergesetzgebung ausgenutzt um ihren Kunden diese Offshore-Konstrukte zur Verfügung stellen zu können, die sie in der Akquise offensiv bewerben. In enger Verbindung standen die Steuervermeidungsunterstützer, wie die veröffentlichten Dokumente belegen, zum Beispiel mit Steuerbehörden in Luxemburg. Diese legalisierten auf Anfrage das Steuersparkonstrukt. Insgesamt 343 Konzernen, unter ihnen bekannte Marken wie Amazon, Blackstone, Deutsche Bank, Coach handbag empire, H.J. Heinz, JP Morgan Chase, Burberry, Procter & Gamble, Carlyle Group, Pepsi und die Abu Dhabi Investment Authority, gelang so die Steuerflucht. Verlierer bei diesen Modellen sind am Ende wir alle.

 

Den Bock zum Gärtner gemacht?

 

Doch verdienen Unternehmen wie PwC nicht nur mit diesen halbseidenen Steuervermeidungsmodellen ihr Geld. Nein, das ist vielleicht das Unverständliche, der Staat selber greift immer wieder auf diese Beratungsunternehmen zurück. So ist der beratende Beauftragte der Landeshauptstadt Schwerin, Peter Jagnow, Berater bei PwC, die seitens des Innenministeriums den Zuschlag erhalten haben, die Landeshauptstadt auf Herz und Niere zu prüfen.  Ein strukturelles Defizit von 15 bis 18 Millionen Euro jährlich, schiebt Schwerin vor sich her und soll perspektivisch eingespart werden.  Erste Erhöhungspläne seitens der Stadtverwaltung sind erst in dieser Woche bekannt geworden.

 

Für die Schweriner Gruppe des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac ist diese Zusammenarbeit mit PricewaterhouseCoopers (PwC) ein Unding. Für sie wird hier der Bock zum Gärtner gemacht. In einer E-Mail an das Innenministeriums, fordern die Globalisierungsgegner die sofortige Unterbrechung der Zusammenarbeit mit PwC, bis die seitens des internationalen Journalistennetzwerkes ICIJ erhobenen Vorwürfe gegen das Wirtschaftsprüfungsunternehmen geprüft sind. »Wir werfen die dringende Frage auf, ob ein und dasselbe Unternehmen, dass nachweislich einerseits Milliarden an der Steuer vorbeischleußt, tatsächlich geeignet sein kann, dem Innenministerium in Mecklenburg-Vorpommern beratend zur Seite zu stehen.«, sagt der Presseverantwortliche von Attac in Schwerin Stephan Martini. Es sei nur folgerichtig nach dem Auftauchen der Dokumente in der sogenannten Luxemburg Leaks Affäre die Zusammenarbeit auszusetzen, bis die Vorwürfe geklärt sind.

 

Einem Beratungsunternehmen das entsprechende Vertrauen zur »fairen und legalen Sanierung des Stadthaushaltes« entgegenzubringen, das im Zusammenhang mit solchen Steuervermeidungsmodellen genannt wird, kann hier nicht mehr gegeben sein. Zumindest sehen das Martini und seine Aktivisten von Attac in Schwerin so. Von Innenminister Lorenz Caffier erwarten die Aktivisten nun eine zügige Stellungnahme.

Written By
Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

Kommentiere den Beitrag

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert