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Unsere Arbeit hat gerade erst begonnen

(sr). Im Zusammenhang mit den »Abendspaziergänge« des islamfeindlichen Bündnisses »MVgida«, gründete sich im Februar das Gegenbündnis »Schwerin für ALLE«. Neben dem Bündnis »Gemeinsam für ein friedliches und weltoffenes Schwerin«, die

  • Veröffentlicht Mai 12, 2015
Neumann, Vera
Vera Neumann im Gespräch mit Schwerin-Lokal

(sr). Im Zusammenhang mit den »Abendspaziergänge« des islamfeindlichen Bündnisses »MVgida«, gründete sich im Februar das Gegenbündnis »Schwerin für ALLE«. Neben dem Bündnis »Gemeinsam für ein friedliches und weltoffenes Schwerin«, die sich damals auf dem Alten Garten versammelten, war es Schwerin für ALLE, die den Gegenprotest gegen MVgida organisierten.

 

Vor wenigen Wochen hat MVgida nun angekündigt, dass sie nur noch einmal im Monat in verschiedenen Städten des Landes spazieren gehen möchten. Für viele Beobachter des Geschehens, ist das ein deutlicher Beleg dafür, dass der Zenit des Bündnisses inzwischen überschritten ist. Wir haben uns daher die Frage gestellt, wie kann es mit »Schwerin für ALLE« weitergehen? Löst sich das Bündnis auf oder gibt es neue Ideen und Ziele? Darüber sprachen wir mit Vera Neumann, die zu den Mitinitiatoren von »Schwerin für ALLE« gehört.

 

Schwerin-Lokal: Was war der Beweggrund, sich damals vom Aktionsbündnis »Gemeinsam für ein friedliches und weltoffenes Schwerin« abzuspalten und eigene Wege zu gehen?

 

Vera Neumann: (Lacht) Wir sehen die Neugründung überhaupt nicht als Spaltung, sondern als eine notwendige Ergänzung im Protest gegen Nationalismus und Menschenfeind-lichkeit in unser Stadt. Ich selber, bin damals im Zusammenhang mit MVgida auf den Gegenprotest gestoßen und habe Andreas Katz, den Landevorsitzenden Bündnis 90 / Die Grünen und späteren Mitorganisator von »Schwerin für ALLE« kennengelernt. Ich und andere Menschen wollten sich in die Vorbereitung der Gegenaktionen gegen MVgida einbrin-gen. Irgendwie hatten wir aber immer den Eindruck, nicht mitgenommen zu werden und außen vor gelassen zu werden. Über Aktionsformen wurde kaum gesprochen und so stand die Frage im Raum, wie kann man Menschen gegen die platten Parolen von MVgida mobilisieren? So entstand das Bündnis »Schwerin für ALLE«.

 

Schwerin-Lokal: Also gab es doch im Aktionsbündnis Meinungsverschiedenheiten?

 

Vera Neumann: Nein. Es passierte einfach nur wenig in diesem Bündnis. Wir wunderten uns damals sehr darüber. Vor allem stellten wir uns die Frage, wo den diejenigen Men-schen in der Stadt sind, die zum Beispiel bei der Initiative »WIR. Erfolg braucht Vielfalt« unterschrieben haben? Immerhin sind es weit über 1.000 Unterzeichner, darunter auch Parteien, Initiativen und Vereine. Nun, wo es darum ging, Gesicht zu zeigen, spürte man plötzlich vom zivilgesellschaftlichen Engagement nichts mehr. Auf der Straße, das wurde schnell klar, hatten wir es bei MVgida mit Rechtsextremisten und Neonazis zu tun, und die Mehrheit in der Stadt stellte sich nicht dagegen, sondern blieb einfach zu Hause. Wir woll-ten uns positionieren und zeigen, dass Schwerin bunt ist.

 

Schwerin-Lokal: Wie schätzt Du die Gegenbewegung, nun im Nachhinein ein?

 

Vera Neumann: Nachdem der Gegenprotest gegen MVgida laut und mit viel politischer Unterstützung gestartet war, ging das Interesse sehr schnell in den Keller. Fast hätte man den Eindruck gewinnen können, dass man Nationalisten und Rassisten in Schwerin die Straße überlassen wollte. So war es dann auch nur eine Frage der Zeit, bis MVgida die Mehrheit der Demonstranten stellte.

 

Ich kann sehr gut verstehen, dass man an einen Punkt gekommen ist, an dem man sich nicht 14-tägig von MVgida die Abendplanung am Montag vorschreiben lassen möchte. Trotzdem wären hier deutlichere Signale und Zeichen notwendig gewesen. Zwar wurde Präsenz gezeigt, der lange Atem fehlte dann aber doch. Immer hatte ich den Eindruck, dass mancher mit wenig Herzblut dabei gewesen ist.

 

Aktivisten des Bündnisses »Schwerin für ALLE« demonstrieren im Februar zum ersten Mal gegen MVgida
Aktivisten des Bündnisses »Schwerin für ALLE« demonstrieren im Februar zum ersten Mal gegen MVgida

Schwerin-Lokal: Es gab neben den Demonstrationen aber auch Initiativen, auf die Anhä-nger von MVgida zuzugehen und das Gespräch zu suchen. Das wurde gerade vom Bündnis »Schwerin für ALLE« kritisiert. Ist Dialog kein richtiger Weg?

 

Vera Neumann: Dialog und mit den Menschen zu reden, ist immer ein guter und richtiger Weg. Ich kann verstehen, dass Menschen Zukunftsängste haben und nicht wenige in unserem Bündnis haben diese auch. Darüber zu reden und zu diskutieren, ist ein guter Weg. Als Bündnis laden wir zu Diskussionen ein. Nur standen uns auf der anderen Seite aus-gewiesene Rassisten und Neonazis gegenüber. Denen wollten wir durch einen Dialog keine Bühne für ihre Propaganda geben. Mit eingefleischten Neonazis kann man nicht reden.

 

Schwerin-Lokal: Kommen wir noch mal auf die Ängste zu sprechen. Nicht wenige Men-schen haben gerade im Zusammenhang mit dem verstärkten Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland Sorge und Ängste. Was sagen Sie denen?

 

Vera Neumann: Menschen sterben im Mittelmeer und das finde ich unerträglich. Hier sind wir gefordert, den Menschen zu helfen. Ängste lassen sich nicht abbauen, in dem man diese Ängste pflegt, sondern in dem man aufeinander zugeht. Das findet aber leider noch viel zu selten statt.

 

Schwerin-Lokal: Aber es wird doch immer wieder von Willkommenskultur geredet?

 

Vera Neumann: Nicht reden, sondern diese Willkommenskultur leben. Darauf kommt es doch am Ende an. Flüchtlinge müssen schneller die Möglichkeit haben, hier in Deutschland zu arbeiten. Sie dürfen sich nicht als Bittsteller fühlen, sondern als Menschen, die hier in Deutschland Teil unserer Gesellschaft werden können. Hier haben wir noch viel zu tun.

 

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Schwerin-Lokal: Was wollt Ihr als Bündnis dazu beitragen?

 

Vera Neumann: Wir haben in den letzten Wochen bereits einen Infostand organisiert, welchem am 27. Mai ein weiterer folgen soll, und sind mit den Menschen ins Gespräch gekommen. Wir haben Unterschriften für ein Großbanner gesammelt, dass die klare und unmissverständliche Botschaft trug »stop racism, refugees welcome« (Rassismus stoppen – Flüchtlinge willkommen!).  Zu den Erstunterzeichnern gehörten neben vielen Menschen, die ein Zeichen setzen wollten, auch Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig und Schwerins Ehrenbürger Rabbi William Wolff.

 

Im Moment planen wir eine konkrete Hilfsaktion für Flüchtlinge und möchten in diesem Zusammenhang Fahrräder sammeln.  Neben dem Symbol, also auch konkrete Hilfe.

 

Schwerin-Lokal: Muss man also davon ausgehen, dass auch mit dem Abflauen der Demonstrationen von MVgida das Bündnis »Schwerin für ALLE« weitermacht?

 

Vera Neumann: Ja, in jedem Fall. MVgida war ja nur der Anlass und die Motivation sich zusammenzufinden. Die Arbeit des Bündnisses »Schwerin für ALLE« hat ja gerade erst begonnen. Wir wollen uns weiterhin mit der Menschenfeindlichkeit in unserer Stadt und unserem Land beschäftigen.

 

Vielen Dank für das Interview

 

Written By
Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

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