Sa, 27. April 2024
Close

Aktualisiert 10.08.2015 (18:00 Uhr): »Fotografieren ist hier verboten«

Ein Brand in Stern Buchholz war für uns ein Grund, sich einmal vor Ort ein Bild über Transparenz und Offenheit zu machen. Am Ende sollte die Polizei geholt werden.

  • Veröffentlicht August 10, 2015

 

Stern Buchholz(1)
In der Ferne sieht man die Löscharbeiten der Feuerwehr. Foto: Schwerin-Lokal

(sr). Ein Brand auf dem Gelände Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber in Stern Buchholz war für uns ein Grund, sich einmal vor Ort ein Bild über Transparenz und Offenheit zu machen. Am Ende sollte die Polizei geholt werden.

 

In der Zentralen Aufnahmestelle für Asylbewerber in Stern Buchholz brennt es. Das war am Sonntag Nachmittag eine Nachricht, die für viel Aufregung sorgte. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir nicht, dass es sich bei dem Brand nicht um die Zentralaufnahmestelle handelt, sondern die Schwimmhalle in größerer Entfernung auf dem Kasernengelände betroffen gewesen ist. Qualmwolken am Himmel ließen das Schlimmste vermuten. Nach ersten Erkenntnissen der Polizei befinden sich auf dem Dach der Schwimmhalle Solarzellen und der Brand soll genau dort ausgebrochen sein. Wie es dazu kommen konnte, ist im Moment noch Gegenstand polizeilicher Ermittlungen. Menschen, das scheint festzustehen, sind bei dem Brand nicht ums Leben gekommen. Eine Nachricht, die aufatmen lässt. Trotzdem nahm ich mir vor, mich einmal vor Ort umzusehen. Das hatte mehrere Gründe.

 

 
ANZEIGE
 Werbung Rohrexperten

 

Einerseits wollte ich mir vor Ort ein Bild von der Lage nach dem Brand und dem Umfang der Schäden machen. Als Journalist kein ungewöhnliches Ansinnen. Andererseits war ich aber auch neugierig, wie es inzwischen um die Transparenz in der Zentralen Aufnahmestelle in Stern Buchholz bestellt ist. Das die Zentrale Aufnahmestelle gar nicht betroffen gewesen ist, davon ahnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nichts.

 

Offener Umgang mit einem sensiblen Thema

 

Als  vor einigen Monaten öffentlich wurde, dass die ehemalige Blücher-Kaserne am Stadtrand von Schwerin ein Aufnahmelager für Flüchtlinge und Asylbewerber werden soll, war nicht jeder Anwohner mit der Entscheidung zufrieden. Ist Deutschland tatsächlich in der Pflicht, Menschen, die in Not sind, zu helfen? Wie kann für die Sicherheit der Flüchtlinge garantiert werden? Das alles waren Fragen, die plötzlich kontrovers in der Stadt diskutiert wurden. Die Stadtpolitik tat das einzig Richtige in so einer Situation und setzte auf Offenheit und Transparenz. Es wurden Bürgerversammlungen durchgeführt und die Politik suchte den Dialog auch mit den Kritikern der Unterbringungspläne in Stern Buchholz.

 

Journalisten wurden vor dem offiziellen Bezug durch die Unterkünfte geführt und berichteten über die Wohnsituation der Flüchtlinge, die in Schwerin zukünftig ihre erste Bleibe finden sollten. Alles sah so aus, als ob man es mit Transparenz und Dialog ernst meinen würde. Viele Schwerinerinnen und Schweriner begrüßten diesen Umgang mit einem wirklich sensiblen Thema. Nicht wenige Menschen wollten sich für eine Willkommenskultur in unserer Stadt einsetzen und den Flüchtlingen helfen, sich in unserer Gesellschaft zu integrieren. Diesmal, so schien es, hätte man aus den Fehlern in den 1990er-Jahren gelernt und wäre besser auf eine Ausnahmesituation, wie sie im Moment auf die Gesellschaft zurollt, vorbereitet. Das war aber offenbar ein Trugschluss, und schnell sind wir alle wieder in der Realität angekommen.

 

Stern Buchholz(2)
Foto: Schwerin-Lokal

 

So hörte ich in den letzten Wochen immer wieder, vor allem von Kollegen aus NRW und Baden-Würtemberg, dass Landeserstaufnahmeeinrichtungen für Journalisten inzwischen »No-go-Areas« sind. Freier Zutritt für Journalisten ist dort nicht gestattet – angeblich, um die Journalisten vor den Menschen dort und die Menschen dort vor den Journalisten zu »schützen«. Mal werden “Persönlichkeitsrechte” von den zuständigen Verwaltungsstellen genannt, dann wieder »Ansteckungsgefahren«. Von Transparenz und Offenheit ist dort nicht mehr viel zu spüren.

 

Keine Suche nach dauerhaften und nachhaltigen Lösungen

 

Auf der anderen Seite erlebt aber auch die Ausländerfeindlichkeit in Deutschland wieder ein Renaissance, wie man sie sich vor einigen Jahren noch kaum vorstellen konnte. Flüchtlingsunterkünfte brennen wieder, und die Politik macht den Menschen Versprechungen, die sie längst nicht mehr halten kann. Die öffentliche Debatte in dieser Frage wird zunehmend populistisch geführt und scheint sich nur nur noch um die Frage zu drehen, ob »Asylbetrüger« schneller abgeschoben werden können oder nicht. Grundsatzdebatten gibt es in der Politik in dieser Frage nicht. Eine Suche nach dauerhaften und nachhaltigen Lösungen? Fehlanzeige.

 

Hier schlägt die Stunde der Vereinfacher, der Populisten und Stimmungsmacher. Kaum eine »Übertreibung« wird heute mehr ausgelassen, um die stumpfe Stimmungslage und Alpträume vieler Deutsche heute zu beschreiben. Horrorvisionen greifen selbst große Medien auf. So fragte vor einigen Wochen die BILD ganz selbstentlarvend

 

»Leben in unseren Städten bald mehr Asylbewerber als Deutsche?«

 

Die »Wohlstandsfestung Deutschland« wird von außen belagert und viele Menschen merken nun, dass Probleme auf der Welt auch nicht Halt vor ihren Wohlstandsinseln machen. Bund, Land und Kommunen schieben sich in eingeübtem Ritual gegenseitig die Schuld in die Schuhe.  Am Ende ändert sich aber nichts.

 

»Wenn sie fortografieren, dann müssen wir die Polizei holen und das gibt Ärger«

 

In so einer bundesweit angeheizten Situation fällt nun die Nachricht, dass es auf dem Gelände der Zentralen Aufnahmestelle in Stern Buchholz brennt. Für mich bedurfte es daher keiner langen Überlegung um zu wissen, dass ich mich zum Ort des Geschehens begeben muss. Dort angekommen, hätte man meinen können, dass die Kaserne wieder von der Bundeswehr in Betrieb genommen worden ist. Im ehemaligen Wachhäuschen, wo früher Soldaten abwechselnd dafür sorgten, dass nur gewünschte Gäste das Gelände betreten können, residiert jetzt ein Wachschutz. Möchte man das Gelände betreten, dann muss man sich dort anmelden. Laut unterhalten sich die diensthabenden Wachfrauen und -männer. Anhand von Wortfetzen kann ich entnehmen, dass es um den Brand gehen muss. Ganz aufgeregt wird man plötzlich, als ich mich auf das Häuschen zubewege. Ich grüße freundlich, zeige meinen Presseausweis und bitte darum, mir vor Ort ein Bild von der Lage machen zu dürfen. »Das geht nicht«, sagt der Wachmann und seine Kollegin schiebt noch nach »Das ist hier Privatgelände«. Wenn sie mich jetzt durchlassen würden, dann bedeute das Ärger mit der Polizei. Von Transparenz und Offenheit ist nun also auch in Stern Buchholz nicht mehr viel übrig geblieben. Das ist Schade.

 

Stern Buchholz(3)
Foto: Schwerin-Lokal

 

Sicherlich kann man sich auf formalistische Standpunkte zurückziehen und Journalisten, wie übrigens auch andere Besucher, von den Menschen in Stern Buchholz abriegeln. Vielleicht ist es ansatzweise in dieser Situation auch verständlich, dass man auf dem Gelände ungestört die Löscharbeiten durchführen wollte und dabei nicht von Pressevertretern gestört sein möchte. Nur kenne ich viele andere Situationen, in denen Pressevertretern nach Havarien, Bränden oder Unfällen an den Ort des Geschehens gelassen werden und sich ein Bild machen können. Unzählige Male stand ich selber mit Kollegen an solchen Stellen. Nie habe ich erlebt, dass sich Journalisten ungebührlich verhalten  oder den Betriebsablauf gestört hätten. Mir leuchtet also nicht ein, warum man nun in Stern Buchholz das berechtigte öffentliche Interesse abschotten muss?

 

Natürlich möchte ich den Wachmann, der offenbar sehr verlegen ist, nicht in Schwierigkeiten bringen. So entschließe ich mich auf eine Vor-Ort-Berichterstattung zu verzichten. Ein paar Fotos möchte ich dann aber doch machen und ich zücke meine Kamera. »Fotografieren ist hier verboten«, werde ich sofort angewiesen. Auf meine doch etwas verwunderte Nachfragen, warum das so sei, weiß er keine so wirklich überzeugende Antwort. »Hier ist Privatgelände«, schallt es mir von hinten entgegen. Das mag alles sein, nur erschließt sich mir nicht, warum ich hier keine Fotos machen soll? Um militärisches Sicherheitsgelände scheint es sich ja offenbar nicht mehr zu handeln – also wovor haben die Wachleute nun Angst? »Wenn Sie fortografieren, dann müssen wir die Polizei holen und das gibt Ärger«, so der Wachmann weiter. Er muss an meinem wirklich verdutzten Gesicht gesehen haben, dass ich in diesem Moment nicht wirklich wusste, in welchen Film ich hier geraten bin. Ich ignoriere die Warnung und fotografiere trotzdem. Transparenz, Offenheit und Willkommenskultur, das habe ich an diesem Nachmittag gelernt, sieht  anders aus. Die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft hätten es in der Hand, ihren Worten Taten folgen zu lassen. »No-go-Areas« zu schaffen ist jedenfalls der schlechteste aller möglichen Wege.

 

Nachtrag: Wir nehmen die Hinweise unserer Leser grundsätzlich sehr Ernst und bedanken uns an dieser Stelle auch dafür. Wir bedauern, dass es in dem Artikel offenbar zu Mißverständissen gekommen ist. Die Zentrale Aufnahmestelle liegt vom Brandherd ausreichend weit entfernt und so bestand für diese nie eine Gefahr. Die Emotionen unserer Lesen haben gezeigt, wie schwierig ein Umgang mit diesem Thema ist. Umso hilfreicher ist daher ein tranparenter und offener Umgang.

 

 

Written By
Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

0 Comment

  • Sie trennen in Ihrem Artikel leider nicht sauber den Technologie und Gewerbepark(hier hat es gebrannt) und die Zentrale Aufnahmestelle auf diesem Gelände. Sie schmeißen die sicherlich notwendige Transparenz der Aufnahmestelle mit den berechtigten Interessen des Technologie und Gewerbeparks zusammen Betriebsfremde einzuschränken. Insofern haben die Wachleute Recht wenn sie sagen dies ist Privatgelände und damit das Areal des Technologie und Gewerbeparks meinen. Sie können sich auch als Pressevertreter nicht einfach frei auf einen Firmengelände bewegen. Erst recht nicht, wenn es dort brennt, bzw. gerade gebrannt hat. In den meisten Firmen ist es üblich und auch richtig, das Betriebsfremde nicht ohne Anmeldung und Begleitung über das Gelände gehen dürfen. Dies ist nicht zuletzt wegen der Unfallverhütung wichtig. Genannt sei hier beispielhaft Werksverkehr und Firmenspezifische Gefahrenquellen. Es ist auch nur schwer möglich extra für Sie kurzfristig jemanden abzustellen, der sie sicher über das Gelände begleitet. Auch ist es auf jedem Firmengelände Standard, das Fotografieren zu verbieten. Geht es doch dabei meist um den Schutz von Firmeninterna. Sie können bei Firmenexternen nicht kontrollieren ob jetzt wirklich wichtige schützenswerte Dinge fotografiert werden oder unwichtiges Zeug und daher ist auf den meisten Firmengeländen das Fotografieren generell untersagt. Insgesamt muss ich sagen, dass sie sich in Ihrem Artikel die Welt ganz schön hin biegen und dadurch beim Leser ein falsches Bild entsteht. Meiner Meinung nach haben die Wachleute richtig gehandelt.

  • Sehr geehrter Herr Neumann, die von Ihnen geäußerten Aspekte finden wir sehr bedenkenswert. Die Detailkenntnis lässt vermuten, dass Sie im Umfeld des Geländes Stern-Buchholz ortkundig sind. Daher hätten wir gerne die eine oder andere Nachfrage gehabt. Leider haben Sie uns unter einer sogenannten „Wegwerf-Email“ geschrieben und eine Rückmeldung ist uns daher leider nicht möglich. Nach unserem Kenntnisstand ist die Zentrale Aufnahmestelle auf dem Gelände nicht extra gesichert. Unser Redakteur ging zu diesem Zeitpunkt aber davon aus, dass sich der Brand auf dem Gelände der Aufnahmestelle ereignet hat und sagte das auch so. Als er erfahren hat, dass es sich um Privatgelände handelt (was ihm so nicht bewusst gewesen ist) respektierte er die Anweisung des Wachmannes anstandslos. Wenn Sie nun aber „firmenspezifischen Gefahrenquellen“ sprechen, dann ist das ein Argument. dass nicht von der Hand zu weisen ist. Nur ergibt sich für uns nun die Frage, ob es vertretbar ist, Menschen (sicherlich auch Kinder) auf ein Gelände unterzubringen, auf dem sich offensichtlich „firmenspezifische Gefahrenquellen“ befinden? Wir können nach ihrem Statement nicht ausschließen, dass es auf dem Gelände Gefahrenquellen gibt, die über eine herkömmliche Unterkunft hinaus gehen. Da wir die Sachlage aber nicht abschließend einschätzen können, hätten wir da gerne Informationen von Ihnen erhalten. Vielleicht setzen Sie sich einfach unter redaktion@schwerinlokal.de in Verbindung. Vielen Dank im Voraus.

Kommentiere den Beitrag

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert