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Schwerin braucht endlich eine Denkmaldebatte!

(stm) Schwerin möchte sein Schloss als Weltkulturerbe anerkennen lassen. Dafür gibt es in der Stadt eine Menge Zustimmung. Unser freier Mitarbeiter, Stephan Martini, bezeichnet sich als Kulturschutz-Aktivist. In seinem Kommentar

  • Veröffentlicht September 23, 2015

(stm) Schwerin möchte sein Schloss als Weltkulturerbe anerkennen lassen. Dafür gibt es in der Stadt eine Menge Zustimmung. Unser freier Mitarbeiter, Stephan Martini, bezeichnet sich als Kulturschutz-Aktivist. In seinem Kommentar fordert er eine Denkmaldebatte.

 

Schloss

 

Schwerin bewirbt sich um den Status eines Weltkulturerbes. Glaubt man den Aussagen verschiedener Experten, stehen die Chancen gar nicht mal so schlecht. Es wird wahrscheinlich etwas länger dauern als geplant, aber es wird. Einmal im Jahr trifft sich das World Heritage Committee, um über die Aufnahmeanträge für die Welterbeliste zu entscheiden. Dieses Jahr hatte sich Schwerin dem Committee zumindest schon einmal vorgestellt.

 

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Inzwischen ist es gut 15 Jahre her, dass in Schwerin erstmals die Idee aufgeworfen wurde, sich um eine Aufnahme in die UNESCO- Welterbeliste zu bewerben. Seit dem ist viel passiert. Schwerins Stadtverwaltung will sich nun mit 50.000  Euro in eine Welterbe-Stiftung einkaufen, um bedrohte Welterbestätten finanziell mit zu unterstützen. Im Stadthaus hat man vor wenigen Wochen sogar die Stelle einer Welterbemanagerin geschaffen. Schwerin investiert also viel Geld und Zeit in die Bewerbung.

 

Weltkulturerbe begründet

 

Die Landeshauptstadt beschreibt  auf ihrer Internetseite in geschmackvoller Sprache die Besonderheiten des zukünftigen Weltkulturerbes mit folgenden Worten:

 

„Das Schweriner Residenzensemble repräsentiert eine einzigartige architektonische und städtebauliche Umsetzung von funktionalen und ideengeschichtlichen Residenzkonzeptionen des 19. Jahrhunderts.  Das Schloss wird ergänzt durch die geschlossene und komplett erhaltene Gruppe von Residenzbauten am Alten Garten. Diese Erweiterung der Residenz über das eigentliche Schloss hinaus ist ein charakteristisches Merkmal von Regierungssitzen des 19. Jahrhunderts. Ihr kommt praktische und symbolische Bedeutung zu. Das Residenzensemble verknüpft Stadt und Schloss miteinander, wobei die Größe, Würde und architektonische Qualität der zur Residenzgruppe gehörenden Bauten weiterhin den Vorrang des Landesherrn unterstreichen. Diese für das 19. Jahrhundert sehr charakteristische Situation hat sich im Stadtbild von Schwerin authentisch und beispielhaft erhalten.“

 

So weit, so gut. Es wird beworben, mit großen, starken Worten. Und wenn nichts dazwischen kommt, kann Schwerin sich in wenigen Jahren endlich mit dem Titel Weltkulturerbe schmücken.

 

Stonehenge, Maya Tempel und Schweriner Schloss

 

Doch der Titel bedeutet auch eine Verantwortung. Schwerin würde sich dann auf einer Liste von derzeit  1.031 Stätten in 163 Ländern wiederfinden. Darunter kulturelle Schwergewichte wie dem Kölner Dom, der Akropolis von Athen, Stonehenge, verschiedenen Maya-Ruinen und  der Altstadt plus Stadtmauern von Jerusalem. Weltkulturerbe zu sein ist also weit mehr als nur ein Werbeträger für Stadtrundfahrten und Touristenausflüge. Auf der Welterbeliste zu stehen verlangt Verantwortung.

 

Schwerin hatte geschichtlich Glück. Den Zweiten Weltkrieg hat die Stadt nahezu unbeschadet überstanden. Die DDR-Zeit hat drei Platten-Wohnsiedlungen hervorgebracht, die wahrlich keine architektonischen Meisterwerke darstellen. Die Innenstadt blieb aber weitestgehend unberührt. So unberührt, dass es zu Wendezeiten an allen Ecken und Enden bröckelte. Viel Geld floss in die Restaurierung der Innenstadt. Viele Bauten stehen inzwischen wieder in ganzer Pracht da. Nur wenige Gebäude suchen noch nach einem mutigen Investor.

 

Shopping statt Denkmalschutz

 

In den vergangenen 20 Jahren hat sich auch das Leben in der  Stadt gewandelt. Das Zentrum der Stadt ist eine Shopping-Anlage geworden, mit der zweithöchsten Geschäftsdichte in Norddeutschland nach Hamburg. Werktags nutzen zehntausende den Marienplatz. Nach Ladenschluss und Sonntags ist die Innenstadt wie ausgestorben. Der Grund ist schnell gefunden. Wohnungen gibt es kaum noch hier. Geschäftshäuser, Bankfilialen und Konsumtempel. Schon hier mussten für den Bau der Shopping-Center unter Denkmalschutz stehendes Gebäude weichen. Ein Leben außerhalb des Konsums findet dahe rin Schwerins Innenstadt kaum noch statt.

 

Spezialeinheiten des Landeskriminalamtes trainierten im Schlossparkcenter
Konsumtempel prägen weite Teile der Innenstadt

 

Die Plattenbausiedlung auf dem Großen Dreesch wird Stück für Stück zurück gebaut. Und neue Stadtgebiete entstehen. Am Ziegelsee zum Beispiel. Weiße Kästen, die eher dazu geeignet sind, so viele gut zahlende Mieter wie möglich aufzunehmen, als das sie dazu taugen würden, das Stadtbild zu bereichern. Eine Gartenstadt ist entstanden die aussieht wie eine Einfamiliensiedlung aus dem Hochglanz-Katalog US-Amerikanischer Architektengruppen. Doch eines ist tatsächlich immer gleich geblieben: Das Residenzensemble. Zwar bröckelte über die Jahre immer mal wieder der Putz  von den Wänden, doch das sind Probleme von gestern. Es wurde und wird restauriert und renoviert im zukünftigen Kulturerbe-Areal.

 

„Ostorfer Hals“ zum Teil Weltkulturerbe

 

Und angrenzend zum Weltkulturerbe-Areal gibt es ein Denkmalschutzbereich. Das wurde 2011 von der Stadt beschlossen, den „Ostorfer Hals“. In diesem Denkmalschutzbereich enthalten, die Schleifmühle – unter Denkmalschutz stehend. Sie steht für das Vorhandensein frühindustriell-technischer Einrichtungen inmitten dieser weitläufigen Kulturlandschaft. Und sie steht ebenfalls auf der Liste der Gebäude die zum Schlossensemble hinzu gehören.

 

Schleifmühle

 

Angrenzendes Denkmalgebiet soll zum Teil verkauft werden

 

Doch ein vergessenes Flecken Erde befindet sich ebenfalls hier in diesem angrenzenden Denkmalbereich im „Ostorfer Hals“. Die Sportanlage Paulshöhe. Ein Sportplatz – bespielt schon vor seiner Fertigstellung. Ein Platz mit Geschichte und Tradition. Die Eröffnung wurde am 20. August 1922 gefeiert. Der Platz ist einer der ältesten bespielten Plätze Norddeutschlands. Zu Zeiten der NS-Diktatur, wurden von Zwangsarbeitern auf dem Platz dann Uniformen hergestellt. Nach dem Krieg wurden hier Flüchtlinge untergebracht. 1953 wurde die Paulshöhe dann runderneuert. Ein zweiter Sportplatz wurde hinzugefügt. Und angrenzend eine Sporthalle erbaut, die inzwischen unter Denkmalschutz steht. Der Fußballsport in Schwerin hatte einen zentralen Platz in direkter Nähe zum Schlossensemble gefunden. Fragt man sportbegeisterte Schweriner nach dem größten Sporterlebnissen der Stadtgeschichte, fällt der Name Paulshöhe. Ein Sportplatz in einem Denkmalbereich in direkter Nähe zum geplanten Weltkulturerbe-Areal. Und wenn es nach der Stadt geht, wird er ab 2016 abgerissen und zu Bauland gemacht werden. Doch zuvor muss der Denkmalschutz aufgehoben werden. Die Hürde diesen Denkmalschutz aufzuheben sei nach Aussage des Schweriner Bauamtes „sehr gering“.

 

Paulshöhe soll spätestens 2018 abgerissen werden.
Die Paulshöhe soll spätestens 2018 abgerissen werden

 

Schwimmhalle Lankow – Beispiel am Umgang mit Denkmalen

 

Und so komme ich nun zur Schwimmhalle in Lankow. Ein Bau der Ostmoderne. Befürworter des Erhaltes sehen eine Denkmaleigenschaft aufgrund der in Mecklenburg Vorpommern nicht mehr erhaltenen HP-Schalenbauweise. Hier sieht auch das Landesamt für Kultur und Denkmalspflege einen Denkmalwert. Doch die Stadt weigert sich die Denkmaleigenschaft anzuerkennen und will die alte Halle abreißen. Weder ein vom Landesamt verordneter Baustopp, noch Einstweilige Verfügungen, vermögen es, die Stadt von ihrem Vorhaben abzubringen,das Gelände der alten Schwimmhalle zu Bauland zu machen. Denkmalschutz? In Schwerin – einer durch finanzielle Sachzwänge segregierten Stadt ein schweres Thema.

 

Schwimmhalle
Trotz Protest durch den Landesdenkmalschutz setzt die Landeshauptstadt den Abriss der alten Schwimmhalle in Lankow fort. Entgültig wird nun das Verwaltungsgericht entscheiden müssen.

 

Ein anonymes Schreiben  „Informiert UNESCO Welterberat“

 

Inzwischen erreichte mich ein anonymer Brief. In diesem wird gebeten, den UNESCO-Weltkulturerberat anzuschreiben und zu fragen, wie man denn die Lage einschätze. „Ist die Landeshauptstadt tatsächlich bereit für ein Weltkulturerbe, wenn man schon mit einfachen Denkmälern so stiefmütterlich umgeht?“

 

Denkmale im Sinne des Denkmalschutzgesetzes in Mecklenburg Vorpommern sind Sachen, Mehrheiten von Sachen und Teile von Sachen, an deren Erhaltung und Nutzung ein öffentliches Interesse besteht, wenn die Sachen bedeutend für die Geschichte des Menschen, für Städte und Siedlungen oder für die Entwicklung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen sind und für die Erhaltung und Nutzung künstlerische, wissenschaftliche, geschichtliche, volkskundliche oder städtebauliche Gründe vorliegen. Und dies trifft sowohl für das Residenzensemble, wie für die Paulshöhe und alle anderen Denkmale der Stadt zu. Ein Denkmal muss weder schön, noch attraktiv sein. Ein Denkmal wird unter Schutz gestellt, weil es ein Zeitzeugnis ist. Ein Beleg. Und der Denkmalschutz soll garantieren, das es Erhalten und zum Beispiel aus finanzieller Notlage heraus zerstört wird. Doch das passierte und passiert derzeit in Schwerin. Hier ist ein Umdenken von Seiten der Stadt nötig. Es braucht eine Denkmaldebatte.

 

Umgang mit Denkmalen am Beispiel der Dresdner Waldschlößchen-Brücke

 

Schon einmal hat ein unbedachter Umgang mit Denkmalen ein Welterbeeintrag gefährdet. Wurde doch beispielsweise Dresden von der Weltkulturerbeliste gestrichen. Das Dresdner Elbtal wurde im Juli 2006 in die Rote Liste, einer Liste die besonders bedrohte Welterbe aufzählt, eingetragen, da laut Gutachten die vierspurige Waldschlößchenbrücke „den zusammenhängenden Landschaftsraum des Elbbogens an der empfindlichsten Stelle […] irreversibel in zwei Hälften“ zerteilt.  Nachdem die Brücke trotzdem weitergebaut wurde, verlor das Dresdner Elbtal den Titel Weltkulturerbe durch eine Entscheidung des Welterbekomitees am 25. Juni 2009.  Zwar befand sich Dresden in dem Moment schon auf der Liste, doch woher sollen wir in Schwerin wissen, dass sich derartiges hier bei uns nicht wiederholt.

 

Auch deswegen brauchen wir die Denkmaldebatte, um den Entscheidungsträgern der Stadt den Kultur-, und Denkmalschutz näher zu bringen.

 

Stephan Martini ist Freier Journalist, unter anderem auch für Schwerin. Er bezeichnet sich als  Kulturschutz-Aktivist und ist im Rat des globalisierungskritischen Netzwerkes attac Deutschland.

 

 

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der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

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