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„Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.“

Schwerin, 12.05.2016 (red). Am vergangenen Dienstag erinnerten prominente Stadtpolitiker und Bürger in den Schweriner Höfen an die Bücherverbrennung durch die Nationalsozialisten vor 83 Jahren. Dabei wurde deutlich, dass es nicht

  • Veröffentlicht Mai 12, 2016

Schwerin, 12.05.2016 (red). Am vergangenen Dienstag erinnerten prominente Stadtpolitiker und Bürger in den Schweriner Höfen an die Bücherverbrennung durch die Nationalsozialisten vor 83 Jahren. Dabei wurde deutlich, dass es nicht nur ums Erinnern geht. Unterdrückung von Journalisten und Schriftstellern gibt es auch heute noch auf der Welt. 

 

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Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow liest
Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow liest

Hassan, der verzweifelt gegen die christliche Besatzung kämpft, so in Heinrich Heines Tragödie ALMANSOR von 1821, erschienen 1823,  bezieht sich mit diesen Worten auf eine Verbrennung des Korans nach der Eroberung des spanischen Granada durch christliche Ritter unter dem inquisitorischen Kardinal Gonzalo Jiménez de Cisneros 1499/1500.

 

Auch 642 sollen einer Legende zufolge Bücher des Museion von Alexandria vom muslimischen Eroberer Emir Amr ibn al-As auf Befehl des Kalifen Umar ibn al-Chattab verbrannt worden sein. Angeblich ließ er sechs Monate lang die 4.000 Bäder von Alexandria damit heizen.

 

Das Verbrennen von Büchern haben die Nationalsozialisten 1933 nicht erfunden. Und dennoch: die öffentlichen Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 waren auch in Schwerin der vorläufige Höhepunkt der „Aktion wider den undeutschen Geist“. Ein Baustein der systematischen Verfolgung jüdischer, marxistischer, pazifistischer und anderer oppositioneller oder politisch unliebsamer Schriftsteller.

 

Unterdrückung des Geistes immer noch aktuell

 

Stephan Nolte liest
Stephan Nolte liest

Über Wochen wurden Bücher gesammelt und als ein schwimmender Scheiterhaufen auf dem Pfaffenteich errichtet. Am Pfingstsonntag, um 22.15 Uhr, wurde die Straßenbeleuchtung ausgeschaltet und der Bücherstapel angezündet. Arno Hoß, Schauspieler und Friedrich Steinfatt, NSDAP-Kreisleiter, begründeten in Ansprachen die Bedeutung der Bücherverbrennung für die „Wahrung des deutschen Geistes“. Und heute?

 

Auch in der Gegenwart dienen die Verbrennung von Büchern z.B. durch den IS, die systematische Verdrängung indigener Sprachen z.B. in Indonesien oder die Inhaftierung von Journalisten und Kulturtreibenden z.B. in der Türkei, der Durchsetzung von Machtinteressen und Zerstörung andersdenkender Menschen und Völker.
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Leider erlebt auch Deutschland zur Zeit einen massiven Angriff auf die Pressefreiheit in unserem Land. Deutschland steigt in der Rangliste der Pressefreiheit vier Plätze auf Rang 16 ab. Die Rangliste der Pressefreiheit 2016 vergleicht die Situation für Journalisten und Medien in 180 Staaten und Territorien. Die „Reporter ohne Grenzen“, bewerten die Verschlechterung als „eine Folge der stark gestiegenen Zahl von Anfeindungen, Drohungen und gewalttätigen Übergriffen gegen Journalisten.“

 

Helmut Holter liest
Helmut Holter liest

Mindestens elf tätliche Angriffe hat das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit seit Jahresbeginn bereits auf Journalisten in Deutschland verzeichnet, sämtlich im Umfeld von rechtspopulistischen oder extremistischen Demonstrationen. Der MDR hat zu Jahresbeginn erklärt, bei Berichten über die sogenannten Montagsumzüge in Dresden und Leipzig seine Reporter nur noch mit Schutzpersonal rauszuschicken. Was sagt das über unser Land und seine Debattenkultur? Wer nicht mitläuft oder zumindest die Klappe hält, wird verprügelt? Journalisten sind per se „der Feind“? Das ist, leider, keine singuläre Erscheinung im Osten, auch im Westen der Republik werden Journalisten bedroht. Die Durchsetzung des Rechts auf Pressefreiheit wird daher für Medienleute zunehmend anstrengender. Tatsachen, die man gerade an einem Tag, der an die Bücherverbrennung erinnert, nicht aus dem Auge verlieren darf.

 

Schwerin erinnert mit Lesungen an Bücherverbrennung

 

Claus Oellerking liest
Claus Oellerking liest

Schwerin stellt sich der Vergangenheit und zeigt auf die Ereignisse in der Gegenwart. In den Schweriner Höfen wurde am vergangenen Dienstag öffentlich aus Werken von 1933 indizierten Autoren gelesen: Brecht, Hasek, Kästner, Tucholsky  und Armin T. Wegner stehen auf dem Programm. Diese Autoren, die Vorlesenden und die Zuhörenden ermuntern zu Toleranz und Miteinander.

 

Organisiert hat diese Veranstaltung das „Aktionsbündnis für ein friedliches und weltoffenes Schwerin“. Zu den Vorlesern gehörten neben Stadtpräsident Stephan Nolte und Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow, auch der Fraktionsvorsitzende der Linken im Landtag MV, Helmut Holter, der Linken-Fraktionschef der Schweriner Stadtvertretung, Henning Foerster,  der Bürgerrechtler Heiko Lietz und der Sprecher der Flüchtlingshilfe

Henning Foerster liest
Henning Foerster liest

Schwerin, Claus Oellerking. Sie alle erinnerten mit dieser Aktion an die Schriftsteller, die vor 83 Jahren auf dem Scheiterhaufen derer landeten, die erst unliebsame Bücher vernichteten und später auch nicht davor zurückschreckten, Menschen zu vernichten.

 

Wie sagte es Rosa Luxemburg? Auch sie gehörte zu den verbotenen Autoren: „Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden.“

 

 

Written By
Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

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