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Flüchtlingshilfe Schwerin: Ehrenamtler vermissen Wertschätzung der Stadt

Schwerin, 24.06.2017 (red/hk). Eine Pressemitteilung der Flüchtlingshilfe Schwerin sorgte gestern für Wirbel in der Stadt. Das Hilfsnetzwerk für geflüchtete Menschen sieht eine mangelnde Würdigung des Engagements durch die Stadt und

  • Veröffentlicht Juni 24, 2017

Schwerin, 24.06.2017 (red/hk). Eine Pressemitteilung der Flüchtlingshilfe Schwerin sorgte gestern für Wirbel in der Stadt. Das Hilfsnetzwerk für geflüchtete Menschen sieht eine mangelnde Würdigung des Engagements durch die Stadt und fasst den Rückzug ins Auge. 

Von Henning Kobs

 

Bilder aus besseren Tagen: Die Deichmann-Stiftung überreichte der Flüchtlingshilfe im vergangenen Jahr im Beisein der damaligen Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig und Landessozialministerin Birgit Hesse einen Integrationspreis. (Archivfoto)

Ging es in den vergangenen zwei Jahren in der Stadt um das Thema Hilfe für geflüchtete Menschen, dann kam man an der Flüchtlingshilfe Schwerin nicht vorbei. Die Initiative der Ehrenamtlichen war im Jahr 2015 schnell zur Stelle, als es darum ging anzupacken und den angekommenen Menschen zu helfen. Vieles hat die Initiative bisher, alleine oder zusammen mit Kooperationspartnern, auf den Weg gebracht. Damit könnte nun Schluss sein. In einer entsprechenden Pressemitteilung teilt der Verein heute mit, dass er seine Arbeit neu überdenken möchte.

Hintergrund der Entscheidung, ist die von den Ehrenamtlichen so empfundene geringe Wertschätzung der Arbeit durch die Stadt. „Nun läuft die Arbeit der Integration. Gerne hätten wir unseren Beitrag dazu verstetigt und professionalisiert. Engagierte, qualifizierte Leute und ein gutes Netzwerk stand bereit.“, heißt es in der Pressemitteilung der Flüchtlingshilfe. Dazu hatte man auf die Unterstützung aus dem Integrationsfond des Landes Mecklenburg-Vorpommern, der die Integrationsarbeit der Kommunen vor Ort unterstützen soll, gehofft. Insgesamt 58.000 Euro wurden mit einem entsprechenden Antrag am 16. November 2016 von der Flüchtlingshilfe, zusammen mit dem Verein „Miteinander – Ma ´an e.V.“, beantragt. Das Geld sollte unter anderem für die Finanzierung der sechs in der Stadt befindlichen WelcomeCafe´s, dem Schwimmunterricht für Kinder in der Schwimmhalle, den Deutschkursen, die an verschiedenen Orten durch Ehrenamtliche der Flüchtlingshilfe durchgeführt werden, der Sonntagsschule und einem Gartenprojekt verwendet werden. Den weitaus größten Anteil im Antrag nahm die Schaffung einer hauptamtlichen Stelle ein, die die vielfältige Arbeit beider Vereine koordinieren sollte.

 

Statt Ehrenamt streckenweise „Fulltime-Job“

 

Man sah sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage, die Arbeit ausschließlich auf ehrenamtliche Schultern zu legen. Claus Oellerking, der Sprecher der Flüchtlingshilfe, spricht in diesem Zusammenhang von einem „24/7 Ehrenamt“. Seit 2015 hat der selbständige Coach Tag für Tag nichts anderes gemacht als ehrenamtlich für die Flüchtlingshilfe gearbeitet. Sein Unternehmen spielte in den letzten zwei Jahren nur die zweite Geige. „Am Ende sind die Akkus dann auch ziemlich alle gewesen“, gibt er ehrlich zu. Daher hätte man sich hauptamtliche Zuarbeit gewünscht.

Bei der Stadt tat sich aber monatelang nichts in Sachen Antragsbearbeitung. Immer wieder sei man „vertröstet“ worden und zu Änderungen im Antrag animiert worden. Hier hätte sich die Initiative eine Antragsberatung seitens der Stadt gewünscht. Am Ende tat sich dann überhaupt nichts mehr – das Geld war alle und die Flüchtlingshilfe, aber auch Ma ´an gingen leer aus.

 

Vor allem große Träger profitieren von Fördermitteln

 

Von den 99.812,51 Euro, die das Land der Landeshauptstadt zur Verfügung stellt, sind tatsächlich schon die meisten Mittel vergeben. Den Löwenanteil erhält mit 67.047,47 Euro die Evangelische Jugend für ein Projekt „Jugendimmigrationsmobil-JIM“. Weitere Nutznießer aus dem Fond sind der Kinderschutzbund in Schwerin, der gleich zwei Projekte aus den Mitteln gefördert bekommt, und das Deutsch-Russische Kulturzentrum, über dessen Antrag allerdings noch nicht entschieden wurde. Alles in allem ist es also ein sehr überschaubarer Kreis, der hier aus dem Integrationsfond des Landes Mecklenburg-Vorpommern gefördert wird. Auffällig ist weiter, dass es fast nur große Träger sind, die offensichtlich die hohen Hürden bei der Projektbeantragung nehmen konnten.

In einer Antwort auf eine Anfrage des Stadtvertreters Stefan Schmidt (Die Linke) schreibt Oberbürgermeister Rico Badenschier dann auch im Hinblick auf die Flüchtlingshilfe: „Leider konnte der Verein nicht alle formalen Kriterien zur Projektbeantragung erfüllen, welche im Rahmen der Vorprüfung vom LAGuS (Landesamt für Gesundheit und Soziales – Anm. Red.) in Form eines Auflagenkatalogs zusammengestellt worden sind. Daher konnte der Antrag in Höhe von 58.000 € (Gesamtbudget 99.812,51 €) nicht bearbeitet werden.“

Streitpunkt war nach Auskunft der Flüchtlingshilfe hier vor allem die hauptamtliche Stelle. Laut Förderrichtlinie hätte man hier von den Ehrenamtlern schon erwartet, dass sie eine geeignete Kraft benennen. Für die Flüchtlingshilfe war diese Hürde nicht zu nehmen. „Wir können doch nicht eine Stellenausschreibung machen und Leute einstellen, ohne dass wir eine Förderzusage erhalten haben.“ Die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer fühlen sich an dieser Stelle ziemlich alleine gelassen von der Stadtverwaltung.

 

Beim Thema Integration fehlen die Linien

 

Zwar wurde der Flüchtlingshilfe für Vorhaben durch die Stadt 20.000 Euro in Aussicht gestellt, so dass zumindest die kleinen Projekte aufrecht erhalten werden können. „Das ist schön. Aber es reicht nicht, um das zu tun, was getan werden muss. Das, was ehrenamtlich, auch von den Geflüchteten selbst geleistet wird, scheint der Stadt nichts wert zu sein.“, heißt es in der Pressemeldung.

Auf Unverständnis stößt hier die Ankündigung von Sozialdezernent Andreas Ruhl, nun europaweit eine Ausschreibung zu machen, durch die eine Firma gesucht werden soll, die geflüchtete Menschen bei der Integration unterstützt. Die Aufgaben der Betreuer soll von Beratung und Hilfestellung in Alltagsfragen über Begleitung zu den Behörden und Vermittlung von Beratungsangeboten bis hin zu Beratung bei der Führung des Haushalts – von der richtigen Mülltrennung bis hin zum Umgang mit sanitären Einrichtungen – reichen. Dafür möchte die Stadt jährlich 200.000 Euro in die Hand nehmen.

Claus Oellerking glaubt, dass man das Geld besser in die Projekte investiert hätte, die sich schon heute für Integrationsarbeit vor Ort engagieren. Er möchte daher den Aufschrei gestern als mehr als eine Gelddiskussion verstanden wissen. „Es geht uns um die Frage, welches Konzept hat die Stadt bei der Integration? Hier fehlen uns die Linien.“ In der vergangenen Woche nahm Oellerking an einer Veranstaltung des „Netzwerks Migration“ teil. „Ich hatte den Eindruck, dass wir mit unserer Kritik an diesem Tag nicht alleine waren.“

Deshalb habe die Flüchtlingshilfe den gestrigen Weg über die Pressemitteilung gewählt. „Es macht uns wenig Spass, der Stadtverwaltung hinterherzulaufen.“

Wie die Arbeit der Flüchtlingshilfe in Schwerin aussehen kann, darüber machen sich die Initiatoren in den kommenden Wochen Gedanken. Die laufenden Projekte werden in jedem Fall zu Ende gebracht. Was dann kommen wird, das wird sich zeigen. Im Moment wird die Arbeit aber erst einmal zurückgefahren.

 

Rechtliche Rahmenbedingungen setzen enge Grenzen

 

Schwerins Sozialdezernent Andreas Ruhl kündigte gestern gegenüber dem Fernsehsender NDR an, dass die Stadt in den kommenden Tagen auf die Flüchtlingshilfe zugehen möchte. Viel Spielraum zum Entgegenkommen sieht er aber nicht. Rechtliche Rahmenbedingungen setzten hier enge Grenzen.

Genau hier scheint aber das Problem des Konflikts zu liegen: Der Gesetzgeber hat bei der Aufsetzung der Förderprogramme offenbar nur große Träger im Auge gehabt. Die Ehrenamtlichen, die sich vor zwei Jahren in der Notsituation spontan zum Helfen zusammengefunden haben und da waren, als auch die sich immer wieder als professionelle Helfer generierenden Wohlfahrtsverbände mit der Situation überfordert waren, sind dabei aus dem Fokus geraten. Bei manchen ist daher der Eindruck entstanden, dass der „Mohr seine Schuldigkeit getan hat und nun gehen kann.“ Das ist ein fatales Signal.

 

 

 

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Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

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