Fr, 19. April 2024
Close

Rudolf Karstadt, der vergessene Bewohner Schwerins

Schwerin, 10.10.2016 (stm). Wenn heute der Karstadtkonzern in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, so ist das jedem Rundfunk- und Fernsehsender eine Spitzenmeldung wert. Wenn der Handelsriese wankt, überschlagen sich die Kommentatoren und

  • Veröffentlicht Oktober 10, 2016

Schwerin, 10.10.2016 (stm). Wenn heute der Karstadtkonzern in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, so ist das jedem Rundfunk- und Fernsehsender eine Spitzenmeldung wert. Wenn der Handelsriese wankt, überschlagen sich die Kommentatoren und die Spitzenpolitiker und suchen nach Auswegen aus dem Dilemma. Wenn ein Karstadt in einer Stadt eröffnet, dann ist das meistens etwas Besonderes. Kaum einer weiß, dass die Konzernwurzeln auch nach Schwerin reichen.

Von Stephan Martini

800px-karstadt-stammhaus
Das Stammhaus in Wismar. Hier gründete Rudolf Karstadt sein erstes Handelshaus. Später führt ihn sein Weg wieder nach Schwerin Foto: Northside/Wikipedia

Karstadt begann sein Wirken in Wismar

 

Rudolf Karstadt, der Gründer des heutigen Konzerns, begann am 14. Mai 1881 mit einem ersten Kaufhaus in der Hansestadt Wismar das System des Großhandels völlig umzukrempeln. Seine Idee gedieh zu einem Erfolgsrezept. Alle Nachfolger übernahmen im Großen und Ganzem die Leitlinien des Gründers. Nicht einmal 20 Jahre später besaß der geniale Geschäftsmann ein Netz von Filialen überall im damaligen Deutschen Reich. Der Erfolg des Karstadtkonzerns sollte, mit einigen Unterbrechungen während der Weltwirtschaftskrise, bis heute anhalten.

 

Gebürtiger Mecklenburger, aufgewachsen in Schwerin

 

karstadtGeboren wurde Rudolf Karstadt am 16. Februar 1856 im mecklenburgischen Grevesmühlen. Der Vater war Färbermeister und Inhaber einer Warenhandlung in der Landeshauptstadt. Nach der Ausbildung im väterlichen Geschäft in Schwerin, arbeitete der junge Kaufmann bis zu seinem 25. Lebensjahr in der Firma des Vaters.

Mit geliehenem Grundkapital eröffnete Rudolf gemeinsam mit seinen Geschwistern Sophie Charlotte und Ernst Karstadt in Wismar ein „Tuch- Manufaktur- und Konfektionshaus“ unter dem Namen des Vaters. Die Mecklenburgische Gewerbeordnung gestattete erst nach Vollendung des dritten Lebensjahrzehnts die eigenständige Führung eines Handelsbetriebes. Dennoch wurde Rudolf schon 1884 alleiniger Inhaber des Warenhauses. Seine Geschwister verließen das Geschäft und Rudolf betrieb fortan seine Häuser unter dem Namen Rudolf Karstadt.

 

Revolutionäres Handelskonzept „Made in Schwerin“

 

Eine, für die damalige Zeit revolutionäre Konzeption, führte das neu gegründete Haus auf die Erfolgsspur. Karstadt verkaufte seine Ware grundsätzlich zu erschwinglichen Preisen. Möglich wurde dies durch die Umgehung des Zwischenhandels. Der Kaufmann bezog seine Gebrauchsgüter direkt vom Hersteller. Der Erfolg gab ihm recht. Schon 1884 war der Gewinn so groß, dass er in Lübeck seine erste Filiale eröffnen konnte.

 

Brüder im Wettbewerb – Karstadt übernimmt Karstadt

 

Schon bald folgten in Lüneburg, Münster und Braunschweig weitere Geschäftseröffnungen. Rudolf Karstadt, der seinen Wohnsitz nach Lübeck verlegt hatte, zog, beflügelt durch den großen Erfolg seiner Handelskette, nach Berlin. Hier, im Zentrum des Deutschen Reiches, begann der Unternehmer an der deutschlandweiten Ausdehnung seines Imperiums zu arbeiten. Bis 1890 wuchs es um nochmals fünf Häuser. Einen großen Entwicklungsschub erreichte das Unternehmen im Jahr 1900. Rudolf Karstadt übernahm 13 Geschäfte seines Bruders Ernst. Dieser hatte im damaligen Mecklenburg und Pommern  Kaufhäuser eröffnet, aber um die Jahrhundertwende geriet das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten. Rudolf übernahm die Häuser und vergrößerte sein Imperium beträchtlich. In Schwerin gehörte Ernst in der Schmiedestrasse 17 ein Kaufhaus, Rudolf Karstadt in der Schmiedestrasse 6 bis 11 und in der Wladimirstrasse 2 /4 ebenfalls ein Kaufhaus

 

Karstadt als „kluger Investor“ im 1. Weltkrieg

 

Zu Beginn des 1. Weltkrieges ließ Karstadt sämtliche Textilien aufkaufen denen er habhaft werden konnte. Dieser kluge Schachzug führte dazu, dass die Handelshäuser den Krieg fast ohne Substanzverlust überstanden. 1917 nahm Karstadt Verhandlungen mit der Firma Theodor Althoff auf, die ebenfalls eine Kette von Warenhäusern besaß. Anfang 1918 wurde die Offene Handelsgesellschaft Karstadts in eine KG umgewandelt, unter Beteiligung  Theodor Althoffs. Die Zusammenarbeit beider Firmen führte 1920 zu einer Verschmelzung beider Unternehmen. Karstadt gehörte nun zu den größten Handelsketten in Deutschland.

 

Der tiefe Fall des Karstadt Konzernes

 

Hatte sich Karstadt bis 1920 auf die Neugründung von Handelshäusern konzentriert, so verlagerte sich der Schwerpunkt der Arbeit in den 1930er Jahren auf die Übernahme von bereits bestehenden Geschäften. Verstärkt wurde der Ausbau von eigenen Produktionsstätten vorangetrieben. Das sollte sich noch als verhängnisvoll für Karstadt erweisen. Als dann 1931 die Weltwirtschaftskrise den Konzern erreichte, musste Karstadt etwa ein Drittel seiner Häuser schließen, sämtliche Produktionsbetriebe wurden stillgelegt oder verkauft. Die Aktien des Konzerns fielen ins Bodenlose.

 

Besonders hart wurden die Gründungsmitglieder betroffen. Im August 1931 starb Althoff völlig mittellos. Karstadt verlor sein gesamtes privates Vermögen, darunter die Güter Stellmoor bei Hamburg, Bütow bei Röbel und das Gut Lemkuhl bei Schwerin.

1932 schied Karstadt aus dem Unternehmen aus, zuvor wurde der Gründer in den Aufsichtsrat des Konzerns gewählt. So blieb ihm das Schicksal Althoffs erspart. Rudolf Karstadt kehrte nach Schwerin zurück. Im Telefonbuch von 1935 wird die Orleanstrasse 18b (heute  Heinrich-Mann-Strasse) als seine Adresse angegeben. Zwei Jahre später erwirbt der Gründer Europas größter Handelskette in der Beaugencystrasse  7 ( heute  Graf-Schack-Allee) die Villa der Rittergutsbesitzerin Margarete Diestel.

 

Tod in Schwerin

 

Den rasanten Aufstieg seines Konzerns in der Bundesrepublik konnte Rudolf Karstadt nicht mehr erleben. In den letzten Monaten des 2.Weltkrieges, fast unbeachtet von der Öffentlichkeit, starb der geniale Geschäftsmann in der Stadt seiner Jugend.  Sein Grab befindet sich noch heute auf dem Alten Friedhof.

 

Karstadt Straße in Schwerin

 

In der Landeshauptstadt ist Rudolf Karstadt fast vergessen, nichts erinnerte bis vor wenigen Tagen an den großen Kaufmann. Bald soll es eine Straße in Schwerin für ihn geben. Das hat der Hauptausschuss der Landeshauptstadt kürzlich beschlossen.

 

Written By
Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

Kommentiere den Beitrag

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert