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»Tag der Arbeit« in Schwerin begangen

  (sr).  Jedes Jahr am 1. Mai ist der Schweriner Marktplatz der Platz der zentralen Maikundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in der Landeshauptstadt. Gestern feierte der »Tag der Arbeit« sein

  • Veröffentlicht Mai 2, 2015

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(sr).  Jedes Jahr am 1. Mai ist der Schweriner Marktplatz der Platz der zentralen Maikundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in der Landeshauptstadt. Gestern feierte der »Tag der Arbeit« sein 125-jähriges Jubiläum in Deutschland. Das zeigt, auf welche lange Tradition sich der besondere Feiertag der Arbeiterbewegung berufen kann. Allerdings kann es nicht verdecken, dass alles inzwischen wie ein angestaubtes Ritual wirkt. Der 1. Mai nennt sich »Tag der Arbeit« und ist ein Feiertag, an dem die meisten Menschen nicht arbeiten müssen.

 

 

Viele Menschen, die die DDR erlebt haben, werden sich noch mit gespaltenen Gefühlen an diesen Tag erinnern können. Zwangsweise hieß es an diesem Tag Gesicht auf der Straße zeigen und Betriebe, Vereine und Schulklassen marschierten, die meisten lustlos, bei den traditionellen Maikundgebungen mit. Für die DDR war dieser Tag einer der wichtigsten Feiertage. Die Menschen hingegen, freuten sich mehr auf Rostbartwurst, Bier und 5 Mark »Marschiegeld«, das viele Betriebe ihren »Werktätigen« zahlten, um die Unlust der Belegschaft zu kaschieren. Noch schwerer wurde es dann meistens vor Ort, wenn es darum ging Fahnen- oder Transparentträger für die Parolen der Arbeiterklasse zu finden. Nein, der 1. Mai hat, zuminest auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, nicht den besten Ruf. Der »Tag der Arbeit« – für viele Menschen war es nur ein ungeliebter »Tag der Pflicht«. Wenn man sich diesem sozialistischem Tam-Tam entziehen konnte, dann tat man es gerne.

 
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Dieser schlechte Ruf des »Tags der Arbeit« ist eigentlich nicht gerechtfertigt. Die Arbeitnehmer verdanken der Gewerkschaftsbewegung im Kampf um Arbeitnehmerrechte sehr viel. Das die Menschen heute nicht zwölf Stunden am Tag arbeiten müssen und in der Regel eine 5-Tage-Arbeitswoche haben, ist nicht vom Himmel gefallen, sondern Ergebnis eines Kampfes, in dem die Maikundgebungen eine zentrale Rolle spielten. Bezahlter Jahresurlaub und Urlaubsgeld, auch das würde es heute nicht geben, wenn Menschen nicht für diese Ziele gestritten hätten. Der »Tag der Arbeit« ist als mehr als ein »Tag der Pflicht«, sondern ein Symbol dafür, dass sich Interessen am besten durchsetzen lassen, wenn man sie gemeinsam vertritt, beharrlich verfolgt und Menschen dafür auch auf der Straße Gesicht zeigen.

 

Kumpanei mit Managerinteressen greifen Glaubwürdigkeit an

 

Die Gewerkschaftsbewegung hat ein Problem, dass zeigte gestern auch die Veranstaltung auf dem Marktplatz. Der DGB scheint Opfer seines eigenen Erfolgs geworden zu sein. Ein traditionelles Arbeitermillieu gibt es heute nicht mehr und die scharfen Klassengegensätze des neunzehnten und der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts gibt es nicht mehr. Die Gewerkschaften erlitten in den letzten Jahrzehnten einen erheblichen Bedeutungsverlust, der sich vor allem an den zurückgegangenen Mitgliederzahlen festmachen lässt. In den letzten Jahren stattgefundene Fusionen, sind eine Antwort auf das Problem der Gewerkschaften.

 

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Die in den letzten Jahren immer wieder mit großem Getöse begonnenen und oft mit mageren Kompromissen zu Ende gehende Lohnrunden und Lohnpolitik, lassen selbst manchen Gewerkschaftsfunktionär an der Existenzrechtfertigung der eigenen Organisation zweifeln. Hinzu kommt, dass Gewerkschaften in der sozialen Marktwirtschaft, weniger Kampforganisationen als vielmehr gezähmte »Sozialpartner« geworden sind. Vieles, was heute Gewerkschaften ausmacht, wirkt behäbig und unbeweglich. Nicht wenige Menschen werfen den gewerkschaftlichen Großapparaten vor, sich fast ausschließlich nur noch auf die Besitzstandwahrung zurückgezogen zu haben. Nicht selten führt das zu Kumpanei mit Managerinteressen und mancher deutsche Wirtschaftsskandal, wäre ohne Stillhalten der Arbeitgebervertretung gar nicht möglich gewesen. Daher wird die nicht selten empfundene Verfilzung der Gewerkschaften mit Politik und Wirtschaftslobby als sehr problematisch empfunden.

 

Mehr Tariflöhne für Mecklenburg-Vorpommern

 

Gestern fanden sich auf dem Marktplatz gut 300 Schwerinerinnen und Schweriner ein. Parteien, Gewerkschaften, Vereine und Initiativen präsentierten sich mit Informationsständen. Das Aktionsfeld der meist linksorientierten Gruppen, das wurde deutlich, ist sehr weit und bunt. Aus dem Rahmen fiel an diesem Tag lediglich der Informationsstand der Freien Demokraten (FDP), die ebenfalls Gesicht zeigten. Das es sich bei den Anwesenden nicht unbedingt um die FDP-Zielgruppe handelt, wurde schnell deutlich und so entspannten sich viele Diskussionen. Allgemein wurde aber der Mut der FDP anerkannt, dass Gespräch außerhalb ihrer Kernzielgruppe zu suchen. »Letztes Jahr war ja auch die CDU hier. Nun, wo aber kein Wahlkampf ist, scheinen die Damen und Herren das Interesse verloren zu haben«, begrüßt ein älterer Herr die freien Demokraten und diskutiert anschließend sehr intensiv über die Vor- und Nachteile des geplanten Freihandelsabkommens TTIP.

 

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig im Gespräch mit dem Landtagsabgeordneten Henning Foerster (DIE LINKE)
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig im Gespräch mit dem Landtagsabgeordneten Henning Foerster (DIE LINKE)

 

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD), der LINKEN-Bundestagsabgeordnete Dieter Bartsch (DIE LINKE) und Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow (DIE LINKE) hingegen waren an diesem Tage sichtbar auf dem Marktplatz zu Hause.

 

 

Auf der Bühne spielt derweil die »Jump-Crew« aus Wismar. Später wird auch noch das Kindertanzensemble »Sternchen« und Philipp und Harry von »die Bad von letztens« für Unterhaltung sorgen. Alles auf dem Markt ist eher auf Volksfest als auf Kundgebung ausgerichtet. Lediglich die Stände rund um den Markt erinnern den Besucher daran, dass es hier heute nicht um Unterhaltung, sondern um Politik geht. Richtig Aufbruchstimmung will an diesem Tag allerdings nicht aufkommen.

 

 

Dem Hauptredner der Kundgebung, Ministerpräsident Erwin Sellering, gelingt es auch nicht, die Menschen mitzutun. In seiner Rede, die sehr viel durch Allgemeinplätze gespickt ist, lobt er die »gute wirtschaftliche Entwicklung des Landes Mecklenburg-Vorpommern in den letzten 25 Jahren«. Als Niedriglohnland, das betont Sellering, hätte Mecklenburg-Vorpommern in Zukunft kaum eine Chance. Er fordert daher »konkurrenzfähige Löhne«. Für Erwin Sellering sind es vor allem mehr Tariflöhne, die benötigt werden. Das aber gerade Mecklenburg-Vorpommern, auch unter der Regierung der SPD, immer wieder auch mit niedrigen Lohnkosten bei Firmenansiedlungen geworben hat, dass scheint an diesem Tag in Vergessenheit geraten zu sein. »Auf den Mindestlohn können wir stolz sein«, so Sellering weiter. »Unser Ziel ist, dass mehr Branchen und mehr Betriebe Tariflohn zahlen. Denn da, wo Arbeitgeber und Arbeitnehmer Tariflöhne ausgehandelt haben, wird meist besser gezahlt. Und da ist auch die Lohnangleichung zwischen Ost und West weiter fortgeschritten oder abgeschlossen«, erläutert der Ministerpräsident. Eine Stärkung der Tarifpartnerschaft liege deshalb »im wirtschaftlichen Interesse des Landes.«

 

Zum Abschluss seiner Rede, bekam Erwin Sellering ein Hausaufgabenheft des DGB überreicht. In diesem wird die Umsetzung wichtiger Punkte aus dem koalitionsvertrag angemahnt
Zum Abschluss seiner Rede, bekam Erwin Sellering ein Hausaufgabenheft des DGB überreicht. In diesem wird die Umsetzung wichtiger Punkte aus dem koalitionsvertrag angemahnt

 

Sellering unterstützt in seiner Rede den Vorstoß von Bundesfamilienministerin Schwesig, die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen gesetzlich zu regeln. »Trotz aller Fortschritte bei der Gleichstellung ist es immer noch so, dass Frauen für gleiche Arbeit vielfach weniger Lohn erhalten als Männer und dass es Frauen schwerer haben, in hohe und höchste Führungspositionen zu gelangen.Das kann nicht so bleiben. Wir wollen die vollständige Gleichstellung von Männern und Frauen in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt«, sagte der Ministerpräsident. Für gleiche Arbeit müsse auch gleicher Lohn gezahlt werden. Artig klatschen die Anwesenden, nachdem der Ministerpräsident seine Rede beendet hat. Begeisterung sieht aber anders aus.

 

Bundestagsabgeordneter Dietmar Bartsch übereicht der Volkssolidarität einen Scheck der Bundestagsfraktion
Bundestagsabgeordneter Dietmar Bartsch übereicht der Volkssolidarität einen Scheck der Bundestagsfraktion

Nach der Einführung des Mindestlohns und des Durchsetzens der Rente mit 63 Jahren, hätte man an diesem Tag erwarten können, dass die Gewerkschaften jubeln. Davon war aber nicht viel zu spüren. Die Sinnkrise der Gewerkschaften, auch in Schwerin wurde sie gestern deutlich.

 

 

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Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

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