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Synagoge öffnete ihre Türen für Gäste

  (rm). Die Jüdische Gemeinde in Schwerin hatte am Sonntag ihre Türen für Besucher geöffnet. Der neue Landesrabbiner Juri Kadnikow begrüßte seine Gäste, zuvor sang der Synagogalchor der Gemeinde. Der

  • Veröffentlicht Juni 16, 2015

Jüdische Gemeinde 1

 

(rm). Die Jüdische Gemeinde in Schwerin hatte am Sonntag ihre Türen für Besucher geöffnet. Der neue Landesrabbiner Juri Kadnikow begrüßte seine Gäste, zuvor sang der Synagogalchor der Gemeinde. Der 39-Jährige, in der Ukraine geborene Kadnikow betreut als Nachfolger des Schweriner Ehrenbürgers William Wolff seit April die Gemeinden in der Landeshauptstadt und in Rostock.

 

Es ist schon eine außergewöhnliche Geschichte eines kleinen Volkes, eine Geschichte von Vertreibung und Verfolgung. Nebukadnezar, den Herrscher aus Babylon (dessen Geschichte Verdi in seiner Oper Nabucco verarbeitete) überstand es, die Eroberung des Landes unter Alexander dem Großen ebenso wie die Eroberung durch syrische Truppen zu Beginn des letzten Jahrhunderts vor der Zeitrechnung. Als dann aber das Römische Reich seine Machtgelüste auslebte, das kleine Land unter dem Joch Rom zu leiden hatte und ein Aufstand gegen Rom ausbrach, der grausam niedergeschlagen wurde, war es um die Heimat geschehen. Der Tempel in Jerusalem ging in Flammen auf, die überlebenden Aufrührer wurden im Triumphmarsch durch Rom geführt, die Anführer hingerichtet. Das jüdische Volk hatte seine Heimat verloren. Der Kaiser prägte Münzen mit der Aufschrift: „Judae devicta“ (das besiegte Judäa).

 

Urkunde belegt erstes jüdisches Leben in Mecklenburg

 

Eine Urkunde aus dem Jahre 1266 bezeugt erstmals jüdisches Leben in Mecklenburg. In Schwerin sind 1324 jüdische Händler nachweislich belegt. Nach den berüchtigten Pogromen von 1492, in denen in Sternberg wegen angeblicher Hostienschändung 27 Juden den Tod auf dem Scheiterhaufen fanden gab es über Jahrhunderte in Mecklenburg kein jüdisches Leben mehr, der Herzog verwies die Überlebenden des Landes.

 
Erst im 17. Jahrhundert durften sich die beiden Hoflieferanten Bendix und Hagen in Mecklenburg Schwerin niederlassen, wenige Jahre vorher konnte sich der Tabakhändler Levin Saalmann mit der Erlaubnis des Herzogs Christian Ludwig I. in Schwerin ansiedeln. Hundert Jahre später wohnten in der Residenzstadt etwa 30 jüdische Familien.

 
Immer wieder kam es zu Streitigkeiten, diese gipfelten in offenen Feindseligkeiten gegenüber den jüdischen Mitbewohnern. 1819 wurden sie vom Mob durch die Strassen Schwerins gejagt, offen beschimpft und misshandelt. Judenfeindliche Parolen wurden an Hauswände geschmiert, bis zu den alles übertreffenden Pogromen der Nazis waren es da noch etwa hundertzwanzig Jahre.

 

Erster Synagogenbau erst 46 Jahre nach Baugenehmigung

 

Die Geschichte der Schweriner Synagoge begann mit dem Jahr 1773, der Bau eines jüdischen Gotteshauses wurde genehmigt. Noch vergangen etliche Jahre, 1819 begann der Bau in der damaligen Schlachterstrasse. Zwanzig Jahre später erließ der Großherzog ein Statut in dem der Landesrabbiner in die Scharr der Großherzoglichen Diener befördert wurde. Um die Jahrhundertwende lebten ca. 300 jüdische Bürger in Schwerin.

Jüdische Gemeinde 4

 

Die Nazis und die Shoa

 

Nach der Machtergreifung der Nazis, der Rassenwahn nahm nun verbrecherische Züge an, wurde ein lebenswertes Leben der Juden im gesamten Deutschland zur Unmöglichkeit. Am 9. November 1939 brannten die Synagogen überall im Reich. In Schwerin wurde das Innere des Gotteshauses von fanatischen Nationalsozialisten verwüstet. Wohl aus Angst vor einem Übergreifen des Feuers legten sie kein Feuer. Und wieder tobte der Mob durch die Strassen der Stadt, zerstörte jüdische Geschäfte und Wohnungen. Die noch in Schwerin lebenden Juden wurden verhaftet, alle Inhaftierten später wieder freigelassen. Ihre Geschäfte wurden für einen Spottpreis an sog, Arier verkauft. Die Synagoge mussten die jüdischen Familien mit eigenen Händen Sein für Stein selbst abtragen.
Im November 1942 wurden die letzten in Schwerin lebenden Juden nach Theresienstadt deportiert. Keiner hat das Vernichtungslager überlebt. Mindesten 47 Juden Schwerins wurden unter der Gewaltherrschaft der Nazis ein Opfer der Shoa.

 

DDR und Jüdische Gemeinde Schwerin

 

Unter dem Regimes der SED in der DDR erhielt die wiedererstandene Jüdische Gemeinde zwar ihren Grund und Boden zurück, an einen Wiederaufbau ihrer Synagoge war aber nicht zu denken. Der DDR, politisch nicht gerade ein Freund des wiedererstandenen Israel, war eine funktionierende jüdische Gemeinde ein Dorn im Auge. Ein Gemeindeleben gab es so gut wie nicht mehr. Zum Ende der DDR hatte die jüdische Gemeinde noch drei Mitglieder.

 

Das jüdische Leben kehrt nach Schwerin zurück

 

Am 3.12.2008 wurde endlich die neue Synagoge eingeweiht. Der schlichte und doch erhabene Neubau steht dort wo sich einst die von den Nazis zerstörte Synagoge befand. Heute hat die Gemeinde fast 1000 Mitglieder, viele aus den Republiken der ehemaligen Sowjetunion die in Mecklenburg eine neue Heimat gefunden haben. Die Gemeinde bietet ihren Mitgliedern die Möglichkeit, ein vollwertiges religiöses Leben zu führen. Da die Schweriner Gemeinde eine reine Zuwandergemeinde ist hat sie für ihre Mitglieder zusätzliche Integrationsaufgaben übernommen. Sie setzt sich für einen Dialog im interreligiösen und interkulturellen Bereich ein. Die Tage der Offenen Synagoge sind dabei nur ein Baustein auf diesem Weg.

 

Jüdische Gemeinde 2

 

 

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Redaktion

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